Gewässerschutz und Düngemittel im Konflikt

Seit 2013 läuft ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik, eingeleitet von der EU-Kommission wegen zu hoher Nitratwerte insbesondere in den Grundwasservorkommen. 

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Gleichzeitig lobt das Umweltbundesamt die Wasserqualität in Deutschland als „sehr gut“, Flüsse und Seen in Deutschland waren innerhalb der letzten 150 Jahre noch nie so sauber wie heute. Über den Konflikt und Lösungsvorschläge sprechen Anette Herbster (Landesbauernverband), Sylvia Pilarsky-Grosch (BUND Baden-Württemberg) und Prof. Dr. Frieder Haakh (Zweckverband Landeswasserversorgung). 

Haben Verbraucher Grund für Verunsicherung? 

Pilarsky-Grosch: Niemand in Deutschland muss Sorge haben, durch Wasser aus der Leitung akut krank zu werden. Wo der Grenzwert von 50 mg/l Nitrat überschritten ist, wird Fernwasser genutzt oder das Trinkwasser aufbereitet. Aufbereitung ist aufwändig und kostet viel Geld und Energie. Ich weise darauf hin, dass die WHO auch einen an der Vorsorge orientierten Richtwert von 25 mg/l Nitrat festgesetzt hat – der wurde nicht in die deutsche Trinkwasserverordnung übernommen.
Haakh: Wenn wir als Verbraucher in die Zukunft blicken, dann ja, denn das Trinkwasser für unsere Kinder und Enkel ist in Gefahr. Die gewaltige Nitratbelastung aus der Landwirtschaft benötigt mitunter Jahrzehnte, um in den Trinkwasserressourcen anzukommen – mindestens so lange benötigen Gegenmaßnahmen, um zu wirken. Wir haben also keine Zeit zu verlieren.
Herbster: Die Kritik der EU-Kommission über unzureichende Fortschritte bei der Wasserqualität in Deutschland basiert auf einem nicht repräsentativen Messnetz mit insgesamt ca. 170 Messstellen. Dieses ist aus unserer Sicht nicht geeignet, ein aussagekräftiges Bild über die Gewässerqualität in Deutschland zu vermitteln. Es besteht lediglich aus Messstellen an Problemstandorten. Demgegenüber bestätigt das für Deutschland repräsentative sogenannte EUA-Messnetz mit rund 800 Messstellen, dass der strenge Trinkwassergrenzwert für Nitrat an über 85 % der Messstellen eingehalten wird. Damit ist die Situation in Deutschland wesentlich besser, als gegenüber der EU-Kommission dargestellt. Es ist deshalb nicht sachgerecht, allen Landwirten unzureichende Fortschritte beim Gewässerschutz anzulasten. Die Landesbauernverbände haben deshalb mehrfach an die Politik appelliert, das aussagekräftigere EUA-Messnetz zu Grunde zu legen. 

Wie schätzen Sie die Vorschläge der Novelle der Düngeverordnung ein und wo sehen Sie den dringendsten Nachbesserungsbedarf? 

Pilarsky-Grosch: Positiv ist, dass Gärreste aus Biogasanlagen jetzt endlich wie Wirtschaftsdünger einbezogen werden sollen. Der größte Fehler ist, dass Hoftorbilanzen nicht verbindlich vorgeschrieben werden. Der Novellierungsvorschlag erlaubt noch zu viel an Überdüngung. Und wir brauchen eine bundesweite Datenbank zu Nährstofftransporten, um den Verbleib der wachsenden Güllemengen aus Massentierhaltungen aber auch Nährstoffimporte aus Nachbarländern überwachen zu können.
Haakh: Der Tragweite und der Bedeutung des Nitratproblems wird der Entwurf in keinster Weise gerecht, er bleibt weit hinter den Möglichkeiten der guten fachlichen Praxis und dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand zurück und verschiebt das Problem abermals. Beispielsweise soll die Nitratverseuchung auch weiterhin straffrei bleiben. Dafür haben die Bürger kein Verständnis mehr.
Herbster: Wir sehen die Gefahr, dass die Düngeverordnung ein politisches Instrument zur Steuerung der Agrarstruktur zu werden droht. Gerade kleinere Tierhaltungsbetriebe werden durch neue kostenintensive und bürokratische Anforderungen unter Druck geraten. Die Düngeverordnung muss zwingend an dem Grundsatz festhalten, dass eine bedarfsund standortgerechte Nährstoffversorgung der landwirtschaftlichen Kulturen auch zukünftig Maßstab der Düngung bleibt. Die Möglichkeiten zur Schließung der Nährstoffkreisläufe mit Wirtschaftsdüngern in den Betrieben und zwischen Regionen muss weiterhin unterstützt werden.

Reichen Ihrer Ansicht nach die Kontrollen zur Stickstoffausbringung durch die Behörden aus? 

Herbster: Die derzeit geltende Düngeverordnung schreibt bereits jetzt schon umfangreiche Regelungen u.a. zur Düngebedarfsermittlung, -ausbringung, sowie -lagerung vor. Diese müssen von den landwirtschaftlichen Betrieben schriftlich festgehalten bzw. nachgewiesen werden und werden von den Behörden kontrolliert. Die Einhaltung der aktuellen Düngeverordnung betrachten wir daher als ausreichend, um der guten fachlichen Praxis zu genügen.
Pilarsky-Grosch: Wenn wir die hohen – und in beträchtlichen Teilen von Deutschland noch ansteigenden – Nitratwerte im Grundwasser betrachten, kann die Antwort nur Nein lauten. Wir haben aber nicht nur ein Kontrollproblem, sondern auch zu schwache Vorgaben. Die erlaubte Überdüngung ist immer noch zu hoch. Und schließlich muss es bei Überdüngung wirksame Sanktionen geben.
Haakh: Dort, wo die Bauern intensiv wirtschaften, ist in der Hälfte der Fälle das Grundwasser nicht mehr als Trinkwasser nutzbar. Das besagen die an die EU gemeldeten Daten. Für die notwendigen Kontrollen haben die Behörden schlicht zu wenig Mitarbeiter. Unglücklich ist auch die Verflechtung von Beratung und Kontrolle in einer Person. 

Der VfEW unterstützt die Forderung nach der sog. Hoftorbilanz – wie stehen Sie dazu?

Herbster: Mit der Einführung einer Hoftorbilanz wäre ein erheblicher bürokratischer Aufwand verbunden, der nicht gezielt mit der Düngung in Verbindung steht. Die Hoftorbilanz ist deshalb nicht das geeignete Instrument, um die Effizienz und Effektivität der Düngung zu verbessern. Mit der bereits jetzt im Rahmen der Düngeverordnung vorgeschriebenen Flächenbilanz gelingt es sehr viel besser, das Düngemanagement auf der Fläche zu steuern, bedarfsgerecht zu düngen und gleichzeitig Nährstoffüberschüsse zu minimieren.
Haakh: Wir brauchen Transparenz bei den Stickstoffemissionswerten. Um die Stickstoffemissionen zu erfassen ist nach einhelliger Meinung der Fachleute die Hoftorbilanz die beste Methode. Das Problem: Der Bauernverband verbreitet die Mär vom bürokratischen Aufwand. In Baden-Württemberg wird die Hoftorbilanz als freiwillige Maßnahme angeboten und mit 180 € honoriert, das sind gerade mal 3 Arbeitsstunden und jeder Landwirt, der seine Steuererklärung macht, hat quasi gleichzeitig die Hoftorbilanz. 

Was würde es kosten, das Nitrat aus dem Wasser zu entfernen? 

Haakh: Die gängigen Verfahren, also Nanofiltration oder CARIX® liegen je nach Anlagengröße bei Gesamtkosten zwischen 0,30 Cent bis 1 € je Kubikmeter. Das kann aber keine Lösung sein, denn dann zahlt der Verbraucher ein zweites Mal: Einmal über EU-Prämien an die Bauern für´s sog. „greening“, d. h. eine umweltverträgliche Landwirtschaft, und ein zweites Mal für den Reparaturbetrieb durch Aufbereitung des verseuchten Rohwassers im Wasserwerk. 

Entsprechend der „Guten fachlichen Praxis“ sollten Düngemittel zeitgerecht in einer dem Nährstoffbedarf der Pflanzen entsprechenden Menge zur Verfügung gestellt werden. Gäbe es Möglichkeiten, mit weniger Nitratbelastung zu düngen? 

Herbster: Die Nitratgehalte in landwirtschaftlichen Böden haben seit Jahren durchschnittlich eine rückläufige Tendenz. Die Ursachen liegen u.a. in einer zunehmend bedarfsgerechten Düngung durch verbesserte Ausbringungstechniken. Auch die Bereitstellung von amtlichen regions- und nutzungsspezifischen Orientierungswerten (NID) für die Praxis sowie Begrünungsmaßnahmen haben sich bewährt. Durch die Kombination all dieser Maßnahmen können sicherlich auch an belasteten Standorten deutliche Verbesserungen erreicht werden. 

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

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