Gleichzeitig lobt das Umweltbundesamt die Wasserqualität in Deutschland als „sehr gut“, Flüsse und Seen in Deutschland waren innerhalb der letzten 150 Jahre noch nie so sauber wie heute. Über den Konflikt und Lösungsvorschläge sprechen Anette Herbster (Landesbauernverband), Sylvia Pilarsky-Grosch (BUND Baden-Württemberg) und Prof. Dr. Frieder Haakh (Zweckverband Landeswasserversorgung).
Haben Verbraucher Grund für Verunsicherung?
Pilarsky-Grosch: Niemand
in Deutschland muss
Sorge haben, durch
Wasser aus der Leitung
akut krank zu werden.
Wo der Grenzwert von
50 mg/l Nitrat überschritten
ist, wird Fernwasser
genutzt oder
das Trinkwasser aufbereitet.
Aufbereitung ist
aufwändig und kostet viel
Geld und Energie. Ich weise
darauf hin, dass die WHO
auch einen an der Vorsorge
orientierten Richtwert von 25 mg/l
Nitrat festgesetzt hat – der wurde
nicht in die deutsche Trinkwasserverordnung
übernommen.
Haakh: Wenn wir als Verbraucher in die Zukunft
blicken, dann ja, denn das Trinkwasser
für unsere Kinder und Enkel ist in Gefahr.
Die gewaltige Nitratbelastung aus der Landwirtschaft
benötigt mitunter Jahrzehnte, um
in den Trinkwasserressourcen anzukommen
– mindestens so lange benötigen Gegenmaßnahmen,
um zu wirken. Wir haben also
keine Zeit zu verlieren.
Herbster: Die Kritik der EU-Kommission
über unzureichende Fortschritte bei der
Wasserqualität in Deutschland basiert auf
einem nicht repräsentativen Messnetz mit
insgesamt ca. 170 Messstellen. Dieses ist
aus unserer Sicht nicht geeignet, ein aussagekräftiges
Bild über die Gewässerqualität
in Deutschland zu vermitteln. Es besteht
lediglich aus Messstellen an Problemstandorten.
Demgegenüber bestätigt das für
Deutschland repräsentative sogenannte
EUA-Messnetz mit rund 800 Messstellen,
dass der strenge Trinkwassergrenzwert für
Nitrat an über 85 % der Messstellen eingehalten
wird. Damit ist die Situation in
Deutschland wesentlich besser, als gegenüber
der EU-Kommission
dargestellt. Es ist deshalb nicht sachgerecht,
allen Landwirten unzureichende Fortschritte
beim Gewässerschutz anzulasten. Die
Landesbauernverbände haben deshalb mehrfach
an die Politik appelliert, das aussagekräftigere
EUA-Messnetz zu Grunde zu legen.
Wie schätzen Sie die Vorschläge der Novelle der Düngeverordnung ein und wo sehen Sie den dringendsten Nachbesserungsbedarf?
Pilarsky-Grosch: Positiv ist, dass Gärreste
aus Biogasanlagen jetzt endlich wie Wirtschaftsdünger
einbezogen werden sollen.
Der größte Fehler ist, dass Hoftorbilanzen
nicht verbindlich vorgeschrieben werden.
Der Novellierungsvorschlag erlaubt noch zu
viel an Überdüngung. Und wir brauchen eine
bundesweite Datenbank zu Nährstofftransporten,
um den Verbleib der wachsenden
Güllemengen aus Massentierhaltungen
aber auch Nährstoffimporte aus Nachbarländern
überwachen zu können.
Haakh: Der Tragweite und der Bedeutung
des Nitratproblems wird der Entwurf in keinster
Weise gerecht, er bleibt weit hinter den
Möglichkeiten der guten fachlichen Praxis
und dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand
zurück und verschiebt das Problem
abermals. Beispielsweise soll
die Nitratverseuchung auch weiterhin
straffrei bleiben. Dafür
haben die Bürger kein Verständnis
mehr.
Herbster: Wir sehen die
Gefahr, dass die Düngeverordnung
ein politisches
Instrument zur
Steuerung der Agrarstruktur
zu werden
droht. Gerade kleinere
Tierhaltungsbetriebe
werden durch neue
kostenintensive und bürokratische
Anforderungen
unter Druck geraten.
Die Düngeverordnung muss
zwingend an dem Grundsatz
festhalten, dass eine bedarfsund
standortgerechte Nährstoffversorgung
der landwirtschaftlichen Kulturen
auch zukünftig Maßstab der Düngung
bleibt. Die Möglichkeiten zur Schließung
der Nährstoffkreisläufe mit Wirtschaftsdüngern
in den Betrieben und zwischen Regionen
muss weiterhin unterstützt werden.
Reichen Ihrer Ansicht nach die Kontrollen zur Stickstoffausbringung durch die Behörden aus?
Herbster: Die derzeit geltende Düngeverordnung
schreibt bereits jetzt schon umfangreiche
Regelungen u.a. zur Düngebedarfsermittlung,
-ausbringung, sowie -lagerung vor.
Diese müssen von den landwirtschaftlichen
Betrieben schriftlich festgehalten bzw. nachgewiesen
werden und werden von den Behörden kontrolliert. Die Einhaltung der
aktuellen Düngeverordnung betrachten
wir daher als ausreichend, um der guten
fachlichen Praxis zu genügen.
Pilarsky-Grosch: Wenn wir die hohen
– und in beträchtlichen Teilen von
Deutschland noch ansteigenden – Nitratwerte
im Grundwasser betrachten,
kann die Antwort nur Nein lauten. Wir
haben aber nicht nur ein Kontrollproblem,
sondern auch zu schwache Vorgaben.
Die erlaubte Überdüngung ist immer
noch zu hoch. Und schließlich
muss es bei Überdüngung wirksame
Sanktionen geben.
Haakh: Dort, wo die Bauern intensiv
wirtschaften, ist in der Hälfte der Fälle
das Grundwasser nicht mehr als Trinkwasser
nutzbar. Das besagen die an die
EU gemeldeten Daten. Für die notwendigen
Kontrollen haben die Behörden
schlicht zu wenig Mitarbeiter. Unglücklich
ist auch die Verflechtung von Beratung
und Kontrolle in einer Person.
Der VfEW unterstützt die Forderung nach der sog. Hoftorbilanz – wie stehen Sie dazu?
Herbster: Mit der Einführung einer
Hoftorbilanz wäre ein erheblicher bürokratischer
Aufwand verbunden, der nicht
gezielt mit der Düngung in Verbindung
steht. Die Hoftorbilanz ist deshalb nicht
das geeignete Instrument, um die Effizienz
und Effektivität der Düngung zu verbessern.
Mit der bereits jetzt im Rahmen
der Düngeverordnung vorgeschriebenen
Flächenbilanz gelingt es sehr viel besser,
das Düngemanagement auf der Fläche
zu steuern, bedarfsgerecht zu düngen
und gleichzeitig Nährstoffüberschüsse zu
minimieren.
Haakh: Wir brauchen Transparenz bei
den Stickstoffemissionswerten. Um die
Stickstoffemissionen zu erfassen ist nach
einhelliger Meinung der Fachleute die
Hoftorbilanz die beste Methode. Das
Problem: Der Bauernverband verbreitet
die Mär vom bürokratischen Aufwand. In
Baden-Württemberg wird die Hoftorbilanz
als freiwillige Maßnahme angeboten
und mit 180 € honoriert, das sind gerade
mal 3 Arbeitsstunden und jeder Landwirt,
der seine Steuererklärung macht, hat
quasi gleichzeitig die Hoftorbilanz.
Was würde es kosten, das Nitrat aus dem Wasser zu entfernen?
Haakh: Die gängigen Verfahren, also Nanofiltration oder CARIX® liegen je nach Anlagengröße bei Gesamtkosten zwischen 0,30 Cent bis 1 € je Kubikmeter. Das kann aber keine Lösung sein, denn dann zahlt der Verbraucher ein zweites Mal: Einmal über EU-Prämien an die Bauern für´s sog. „greening“, d. h. eine umweltverträgliche Landwirtschaft, und ein zweites Mal für den Reparaturbetrieb durch Aufbereitung des verseuchten Rohwassers im Wasserwerk.
Entsprechend der „Guten fachlichen Praxis“ sollten Düngemittel zeitgerecht in einer dem Nährstoffbedarf der Pflanzen entsprechenden Menge zur Verfügung gestellt werden. Gäbe es Möglichkeiten, mit weniger Nitratbelastung zu düngen?
Herbster: Die Nitratgehalte in landwirtschaftlichen Böden haben seit Jahren durchschnittlich eine rückläufige Tendenz. Die Ursachen liegen u.a. in einer zunehmend bedarfsgerechten Düngung durch verbesserte Ausbringungstechniken. Auch die Bereitstellung von amtlichen regions- und nutzungsspezifischen Orientierungswerten (NID) für die Praxis sowie Begrünungsmaßnahmen haben sich bewährt. Durch die Kombination all dieser Maßnahmen können sicherlich auch an belasteten Standorten deutliche Verbesserungen erreicht werden.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.