Rund 127 Liter Wasser verbraucht jeder von uns im Durchschnitt täglich. Wasser ist eines unserer wichtigsten Lebensgrundlagen und wird in unserem Land selbstverständlich und sorglos genutzt. Für den Schutz der wertvollen Ressource und Innovation in der Trinkwasserversorgung forscht das Technologiezentrum Wasser (TZW). Der Leiter des TZW, Dr. Josef Klinger, spricht über aktuelle Entwicklungen in der Forschung und darüber, wie es um die Qualität unseres Wassers steht.
Belastetes Trinkwasser im Kreis Calw, im Enzkreis, in Heidelberg und in Offenburg allein in den letzten Wochen. Stimmt der Eindruck, dass unsere Grund- und Oberflächengewässer immer mehr Spurenstoffe aufweisen?
Dr. Klinger: Da Wasser einem natürlichen Kreislauf unterliegt, lassen sich in unseren Grund- und Oberflächengewässern auch Substanzen identifizieren, die wir als Gesellschaft in die Umwelt bringen. Art und Umfang der identifizierten Substanzen ist dabei örtlich unterschiedlich. So lassen sich in Oberflächengewässern, die auch als Vorfluter dienen, natürlich mehr Substanzen nachweisen. Da zudem die analytischen Möglichkeiten ständig zunehmen, lassen sich heute Substanzen in den Gewässern identifizieren, die in früheren Jahren analytisch noch wenig zugänglich waren. Damit entsteht natürlich der Eindruck, dass unsere Gewässer immer mehr Spurenstoffe aufweisen. Viele davon gab es jedoch auch schon früher, man konnte diese nur nicht nachweisen. Das beste Beispiel hierfür ist Trifluoracetat (TFA).
Nitrateinträge durch die Landwirtschaft sind weiterhin ein großes Thema. Das TZW forscht zum Thema Landwirtschaft und Grundwasserschutz. Gibt es hier neue Erkenntnisse bzw. lässt sich der Nitrateintrag mittelfristig senken?
Dr. Klinger: Nitrat im Grundwasser ist seit über 30 Jahren ein Thema. Ich erinnere hier nur an das 1985 erschienene Buch »Nitrat im Grundwasser«. Darin sind die wesentlichen Zusammenhänge erläutert und landwirtschaftliche Maßnahmen zur Verminderung der Nitratauswaschung aufgezeigt. Natürlich gibt es auch neue Erkenntnisse, wie beispielsweise die Zusammenhänge und die Prozesse der Nitratelimination im Grundwasser oder die Beeinträchtigung des Nitratabbauvermögens. Solange wir aber weiterhin deutliche Stickstoffüberschüsse zulassen, werden wir das Thema Nitrat nicht beherrschen. Eine Verbesserung wird hier nur eintreten, wenn wir für eine standortangepasste, gewässerschonende Landwirtschaft und damit für eine nachhaltige Agrarwende bereit sind und uns dafür auch engagieren.
Im Rahmen der Klimadiskussion ist auch das Thema Mikroplastik in aller Munde. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Dr. Klinger: Der Begriff Mikroplastik wird teilweise in seiner Bedeutung unterschiedlich belegt. Häufig werden synthetische Kunststoffpartikel mit einem Durchmesser zwischen einem Mikrometer und fünf Millimetern als Mikroplastik definiert. Visuell leicht wahrnehmbarer Plastikabfall, den man an Oberflächengewässern sehen kann, ist hingegen als Makroplastik zu bezeichnen. Natürlich kann aus derartigem Plastikmüll in der Umwelt durch Abrieb letztendlich auch Mikroplastik entstehen. Mikroplastikpartikel sind ubiquitär vorhanden und können u. a. in Oberflächengewässern und Ozeanen nachgewiesen werden. Nicht zu vergessen ist aber, dass Mikroplastik auch in der Luft vorhanden ist. Daher ist aktuell die größte Herausforderung, für die Probenahme und die Analytik standardisierte Verfahren zu etablieren, um falsche Positivbefunde in der Wasseranalytik zu vermeiden. Dabei ist wichtig zu wissen, dass je nach Fragestellung unterschiedliche Analysemethoden zu verwenden sind. Daher ist bei allen Werten, die aktuell angeführt werden, immer kritisch zu hinterfragen, wie methodisch vorgegangen wurde. Dieses Nicht-Wissen bedingt allerdings Unsicherheit und damit spielt das Thema Mikroplastik auch im Wasser eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Dies belegen unsere verschiedenen Forschungsvorhaben auf diesem Gebiet, der BMBF-Förderschwerpunkt Plastik in der Umwelt, in dem wir das Forschungsprojekt Mikroplastik in Binnengewässern koordinieren, sowie unsere Investitionen in neue Gerätetechniken.
Vorsorge oder nachträgliche Reinigung – was ist beim Gewässerschutz der richtige Weg?
Dr. Klinger: Entscheidend für unsere Ressource Wasser ist, dass wir diese ausreichend schützen. Daher muss unser Augenmerk stets auf dem vorsorgenden Gewässerschutz liegen. Im Sinne des vorsorgeorientierten Ressourcenschutzes muss dabei das für Trinkwasserzwecke genutzte Rohwas- ser bereits eine so gute Qualität aufweisen, dass naturnahe Verfahren zur Trinkwasseraufbereitung auskömmlich sind. Eine Abkehr von diesem Prinzip führt zu einer deutlichen Verschlechterung unserer Umwelt und ist daher gerade in den aktuellen nationalen und internationalen Dialogprozes- sen zum Thema Wasser nicht hinnehmbar.
Stand: Dezember 2019