"Wir sind auch gut aufgestellt, wenn sich die Lage verschärfen sollte"

Auch in Pandemiezeiten sichert die terranets BW GmbH als Übertragungsnetzbetreiber die sichere Erdgasversorgung. Deren Geschäftsführerin Katrin Flinspach äußert sich im Interview zu den Veränderungen durch Corona.

Wann wurde Ihnen zu Beginn der Corona-Pandemie persönlich klar, dass eine nie dagewesene Situation auf uns zukommt?

Mitte Februar, als die Berichterstattung in den Medien deutlich zunahm und von ersten Reisebeschränkungen berichtet wurde, tauschte ich mich mit einer Ärztin im Bekanntenkreis aus. Danach wurde mir klar, dass wir uns vorbereiten müssen. In der folgenden Woche richteten wir eine Task Force ein mit dem Auftrag, die Entwicklung zu beobachten und geeignete Vorkehrungen zu treffen.  

Welche Maßnahmen hat Ihr Unternehmen als Erstes ergriffen?

Ende Februar haben wir weitreichende Maßnahmen für den Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zur Aufrechterhaltung betriebsnotwendiger Funktionen eingeleitet. Dazu gehörte neben der Sensibilisierung für Hygiene- und Abstandsregelungen und dem Schließen unserer Kantine am Standort Stuttgart auch die Empfehlung, Besprechungen telefonisch abzuhalten, Dienstreisen zu vermeiden und das mobile Arbeiten auszuweiten. Mit dem Ende der Faschingsferien in Baden-Württemberg haben wir für alle Rückkehrer aus Skigebieten angeordnet, dass diese 14 Tage ohne physischen Kontakt zu ihren Kolleginnen und Kollegen arbeiten. In einem Pandemieplan haben wir Schlüsselbereiche identifiziert und für verschiedene Eskalationsstufen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebes definiert. So gelten z.B. für unsere Leitwarte strenge Zugangsbeschränkungen. Die Mitarbeiter sind in feste Teams eingeteilt und die Schichtübergabe erfolgt weitgehend kontaktlos. Auch in anderen Schlüsselbereichen wie den Entstörungs- und Bereitschaftsdiensten für den Netzbetrieb und die IT haben wir die Mitarbeiter in feste Arbeitsgruppen eingeteilt. Für das Arbeiten an technischen Anlagen und auf Baustellen regelt eine Verfahrensanweisung Maßnahmen zur Minimierung der Ansteckungsgefahr. Im Moment verhandeln wir mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung für den Pandemiefall, um all die Einschränkungen auf sichere Füße zu stellen. 

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag verändert?

So wie der große Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeite auch ich seit mehreren Wochen fast ausschließlich mobil und bin nur noch sehr selten im Büro. Mein Tag beginnt mit der Lagebesprechung der Task Force um 8 Uhr als Webkonferenz. Das gibt dem Tag Struktur und verschafft mir einen schnellen Überblick über die aktuelle Lage. Mein Arbeitsalltag besteht auch sonst aus vielen Web- und Telefonkonferenzen. Auf Dienstreise war ich seit Wochen nicht mehr, was für mich wirklich ungewohnt ist. Stattdessen telefoniere ich viel und habe WebKos. Persönliche Gespräche mit Geschäftspartnern und der Führungsmannschaft bleiben wichtig. Bei den Mitarbeitern muss man genau hinhören und nachfragen, wie sie mit der Situation zurechtkommen. In Zeiten, die von großer Unsicherheit geprägt sind, ist der Austausch besonders wichtig. 

Der Wechsel in den Remote-Modus ist bei uns gut gelungen. Da wir schon vorher die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten hatten, war die technische Ausstattung weitgehend vorhanden. Die Teams haben gute Lösungen gefunden, um ihren Arbeitsalltag in der neuen Situation effizient zu organisieren. Es hat sich herausgestellt, dass beim Führen auf Distanz häufigere kurze Abstimmungen sinnvoll sind. Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Veränderung ihres Arbeitsalltags bestmöglich zu unterstützen, bieten wir z.B. E-Learning-Kurse zum Führen von Teams auf Distanz an. Im Netz und auf den technischen Anlagen führen wir alle Maßnahmen wie geplant durch. Der Schutz vor Ansteckung hat allerdings Einfluss auf die Organisation der Arbeitsabläufe. Die aktuelle Situation rückt die besondere Verantwortung, die wir als Betreiber kritischer Infrastruktur haben, sehr stark  in unser Bewusstsein. 

Was würden Sie einem Kunden sagen, der fragt, ob die Versorgung gesichert ist?

Die Versorgung ist derzeit vollumfänglich sichergestellt. Mit einem umfassenden Krisen- und Notfallmanagement sind wir auch gut aufgestellt, wenn sich die Lage verschärfen sollte. Wir haben einen Pandemieplan erarbeitet, der auch bei einer weiteren Eskalation der Situation sicherstellt, dass wir den Betrieb aufrechterhalten können. So könnten wir beispielsweise durch die Bildung fester Gruppen eine Redundanz in den Schlüsselbereichen auch dann sicherstellen, wenn Gruppen von Mitarbeitern vorübergehend erkranken. Aktuell sind wir stark besetzt und arbeiten intensiv an unseren Netzausbaumaßnahmen.

Wenn Sie im Herbst auf die jetzige Krise zurückblicken, was wird sich in Ihrem Unternehmen verändert haben?

Ich hoffe, dass wir im Herbst weitgehend zur Normalität zurückgekehrt sein werden. Ich erlebe in den vergangenen Wochen einen „Digitalisierungsschub“. Viele Gewohnheiten werden wir nach der Krise kritisch hinterfragen: Braucht es all die Dienstreisen, sollten wir die Homeoffice-Lösung ausweiten und brauchen wir all die Papierunterlagen und Originalunterschriften. Aber auch im Privaten werden wir unser Verhalten überdenken. Meine Hoffnung ist, dass uns die Krise in Sachen Klima- und Umweltschutz einen Schritt voranbringt. 

Stand: Mai 2020

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