Wann wurde Ihnen zu Beginn der Corona-Pandemie persönlich klar, dass eine nie dagewesene Situation auf uns zukommt?
Corona beschäftigt mich bewusst seit dem Ausbruch und insbesondere der zügigen Verbreitung in China Anfang des Jahres. Zu Beginn hatte ich die Hoffnung, dass der Virus sich vor Ort eindämmen lässt und ähnlich wie bei anderen Erregern in den Jahren zuvor nicht auf Deutschland und die Schweiz überspringt. Dass diese Hoffnung unbegründet war, hat sich schnell gezeigt. Bereits im Februar war klar, dass wir als systemkritische Infrastruktur uns besonders für die Pandemie rüsten müssen. Noch heute würde ich für mich allerdings behaupten, dass ich das ganze Ausmaß der Pandemie und insbesondere die mittel- und langfristigen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft nicht wirklich abschätzen kann. Das ist ein Lernprozess, der noch längst nicht abgeschlossen ist.
Welche Maßnahmen hat Ihr Unternehmen als Erstes ergriffen?
Wir haben sehr zügig eine bereichsübergreifende Arbeitsgruppe einberufen, die sich täglich mit der Lageentwicklung befasst hat, und entsprechend Pläne und Maßnahmen erarbeitete und angepasst hat.
Unser Weg in der Pandemie ist ein besonnener und pragmatischer, der sich an den Empfehlungen orientiert. Am Anfang stand vor allem die Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an erster Stelle. Wir haben viel Wert auf die Kommunikation der persönlichen Hygienemaßnahmen (Hände waschen, in die Armbeuge niesen, Abstand halten etc.) gelegt. Unser Ziel war, uns zügig so zu organisieren und Strukturen zu schaffen, die es uns ermöglichen, auch unter schwierigen Bedingungen, unser gesellschaftliche Aufgabe, die Menschen mit Strom, Wärme, Wasser und Gas zu versorgen zu gewährleisten.
Die Energiedienst-Gruppe ist eine deutsch-schweizerische Unternehmung. Wir mussten und müssen dabei die unterschiedlichen Regelungen in beiden Ländern im Auge haben. Und Grenzschließung zwischen Deutschland und der Schweiz hat uns beispielsweise noch einmal vor besondere Herausforderungen gestellt. Zum einen arbeiten bei uns viele Grenzgänger, die den täglichen Arbeitsweg über die Grenzen machen müssen, und zum anderen geht die Landesgrenze direkt durch unsere Kraftwerke. Auch das mussten wir mit den Behörden beidseits des Rheins ersten einmal regeln, denn die Situation ist ja für alle neu.
Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag verändert?
Das gesamte Unternehmen hat sich seit Beginn der Pandemie neu organisiert. Begonnen haben wir mit der Sensibilisierung für das Thema. Aber auch sehr früh haben wir die Mitarbeiter in allen Bereichen, in denen es möglich ist, ins Homeoffice geschickt. Aber nicht alle Mitarbeiter können im Homeoffice arbeiten. Vor Ort halten sie sich an die Abstandsregeln. Das heißt aber, Besprechungen, Workshops und Sitzungen finden seitdem vor allem virtuell über Videokonferenzsysteme statt. Daran muss man sich erst gewöhnen. Mein Geschäftsleitungskollege Michel Schwery und ich habe uns zum Beispiel seit Anfang März nur noch auf dem Bildschirm gesehen. Denn natürlich gilt auch für uns Homeoffice, so oft wie möglich. Und wir wollten uns keinesfalls gegenseitig anstecken. Den Führungskräften kommt in so einer Situation eine besondere Bedeutung zu, denn sie müssen ihre Mitarbeitenden bei Laune halten, auch wenn ihnen zuhause die Decke auf den Kopf zu fallen scheint. Die Geschäftsleitung selbst ist nah am Thema und berät sich wöchentlich derzeit zweimal – anfangs öfter – im Ereignisstab, um schnell zu entscheiden. Der Umgang mit der Pandemie bestimmt also sehr stark auch unseren Alltag als Geschäftsleitung. Übrigens haben wir auch unsere Generalversammlung (also das Schweizer Pendant zur Hauptversammlung) in diesem Jahr nur virtuell gemacht. Es waren aus den Stimmrechtsvertretern keine Aktionäre direkt vor Ort und selbst die Beteiligten waren an unterschiedlichen Orten und nur über das Videokonferenzsystem verbunden.
Was würden Sie einem Kunden sagen, der fragt, ob die Versorgung gesichert ist?
Ganz klar: Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet. Strom steht bei uns ausreichend zur Verfügung. Unsere Wasserkraftwerke laufen vollautomatisch und das Personal für Pflege und Wartung ist so eingeteilt, dass der Betrieb auch unter erschwerten Bedingungen sichergestellt ist. Der Netzbetrieb unserer Tochter ED Netze GmbH ist ebenfalls entsprechend organsiert. Zum Beispiel ist die Verbundleitstelle als spezielle Sicherheitszone ausgewiesen und die Monteure vor Ort halten sich an Verhaltensregeln und Schutzmaßnahmen, die ihre Gesundheit und die der Kunden erhalten sollen. Zudem sind die Materiallager ausreichend bevorratet, um Störungen in den Netzen zu beheben. Und so schätze ich das auch außerhalb unseres eigenen Netzgebiets ein. An Strom ist grundsätzlich kein Mangel, was ja auch die Preise an den Strombörsen zeigen und die anderen Netzbetreiber haben sich in puncto Krisenmanagement auch gut vorbereitet.
Wenn Sie im Herbst auf die jetzige Krise zurückblicken, was wird sich in Ihrem Unternehmen verändert haben?
Vorausgesetzt, die Pandemie ist dann schon vorbei, wird es sowohl positive als auch negative Veränderungen geben. Wir werden sicherlich virtueller geworden sein. Mobiles Arbeiten mit Videokonferenzen wird selbstverständlich geworden sein. Wir werden weniger zwischen den Standorten reisen und öfter von zuhause arbeiten. Aber mit einigen gerade kulturellen Themen, die wir in diesem Jahr schaffen wollten, werden wir nicht so voran gekommen sein, wie wir uns das gewünscht haben. Denn gerade solche Themen brauchen die persönliche Nähe, die es gerade nicht gibt. Und in den Büchern werden wir die Pandemie ganz sicher auch spüren.
Stand: Mai 2020