Rüdiger Höche: "Energiewandler werden für uns hohen Stellenwert haben"

Als „Land der Tüftler und Denker“ wird Baden-Württemberg gerne bezeichnet. Beim Lenkungskreis des Umweltministeriums für Forschungsprojekte zum intelligenten Netzausbau wird deutlich: Auch die Unternehmen der Energiewirtschaft werden diesem Motto bei der Umsetzung der Energiewende gerecht. Die Stadtwerke Bühl beispielsweise testen am Verbundprojekt „Hybrid Optimal“ den Aufbau eines Smart Grid mit Batteriespeicher in einer Wohnsiedlung. Rüdiger Höche, Geschäftsführer der Stadtwerke Bühl, beschreibt die Erfahrungen, die er bisher gemacht hat. 

Was war der Anlass, dass Sie „Hybrid Optimal“ ins Leben gerufen haben? 

Im Niederspannungsnetz des Weilers Witstung übersteigt die Einspeiseleistung der angeschlossenen Photovoltaikanlagen die zeitgleiche Leistungsaufnahme der angeschlossenen Verbraucher erheblich. Das führte zur Verletzung der Qualitätsparameter der anerkannten Regeln der Technik, hier das zulässige Spannungsband. Während der internen Diskussion um eine Netzverstärkung wurden wir auf das Förderprojekt des Landes BW aufmerksam. Daraus entwickelten wir insbesondere in Gesprächen mit dem Institut für Elektroenergiesysteme und Hochspannungstechnik am KIT die Idee für unser Projekt. 

Welche Hürden gab es vor dem Start des Projekts zu bewältigen? 

Vor dem Start des Projekts gab es nur eine Hürde zu nehmen. Wir mussten uns innerhalb des Verfahrens bis zum Erhalt der Bewilligung der Fördermittel gegen weitere Bewerber durchsetzen. Bei allen anderen Aspekten der Antragstellung, wie z. B. der Bereitstellung der erforderlichen Unterlagen, der Finanzplanung, der Klärung der Kofinanzierung, der Suche nach geeigneten Projektpartnern et cetera, handelt es sich um vertraute Arbeitsschritte im Rahmen eines professionellen Workflow. Hier konnten wir uns auf die hervorragende Zuarbeit der Projektpartner verlassen und erhielten wertvolle Beratung und Unterstützung vom Projektträger. 

Welches Zwischenfazit können Sie ziehen? Gibt es überraschende Erkenntnisse? 

Wir stehen noch am Anfang des Projekts, sind aber im Zeitplan. Bis Mitte dieses Jahres sind die technischen Komponenten errichtet. Nach der Inbetriebnahme der Batteriespeicher beginnen die weiteren Arbeitspakete. Die sozialwissenschaftliche Begleitforschung läuft parallel und lieferte erste wichtige Erkenntnisse. Natürlich mussten wir uns mit einigen Schwierigkeiten auseinandersetzen, die wir aber durch den engagierten Einsatz unserer Mitarbeiter lösen konnten. Positiv überrascht hat uns die Kommunikation mit den Einwohnern im Ortsteil Witstung. Wir haben bewusst auf eine transparente und umfängliche Information über dieses Projekt gesetzt und dabei viele wichtige Impulse erhalten. So haben wir beispielsweise die Anregungen der Einwohner für den Standort der Anlage umsetzen können. Diese Kommunikationsstrategie hat sich ausgezahlt und wir erfahren dadurch eine sehr gute Akzeptanz. Als Zwischenfazit kann ich sagen, dass wir mit dem derzeit erreichten Projektstand sehr zufrieden sind.

Wird für Ihr Unternehmen in Zukunft der Einsatz von Energiewandlern einen größeren Stellenwert einnehmen? 

Der Einsatz von Energiewandlern wird für unser Unternehmen in Zukunft von hohem Stellenwert sein. Das Projekt soll neben der Vernetzung technologischer Komponenten die Basis für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ermöglichen. Das Zusammenwirken unterschiedlicher technischer Komponenten gepaart mit geeigneten Geschäftsmodellen soll so aufbereitet werden, dass Folgeprojekte auf der Basis standardisierter Prozesse auf weitere Projekte übertragen werden können. Ziel ist es, durch die Bewirtschaftung einer Energiezelle mittel- und langfristig neue nachhaltige Geschäftsmodelle für lokale Energieversorger zu entwickeln. Unser Projekt liefert dazu wichtige Forschungsgrundlagen. 

Wie konnten Sie die Unterstützung der Bevölkerung gewinnen? 

Eine Infoveranstaltung am 20. Oktober 2016 – kurz nach dem Erhalt des Bewilligungsbescheids – wurde mit großer Beteiligung der betroffenen Bevölkerung durchgeführt. Dabei wurden offen die Sorgen der Bevölkerung um die Batteriesicherheit und Lärmbelästigung angesprochen. Zuletzt gab es die konkrete Nachfrage: „Was ist der Nutzen für uns?“ Eine wichtige Erkenntnis aus dieser Informationsveranstaltung für das Konsortium war, dass eine erfolgreiche Projektumsetzung nur durch Identifikation der betroffenen Bürger mit dem Projektziel (Energiewende) möglich ist. Die große Beteiligung, die Diskussion über kritische Aspekte aber auch die umfangreichen Informationen durch die Projektpartner haben am Ende zu einem sehr guten Ergebnis geführt. Die abschließende Aussage eines Wortführers war: Wir stehen positiv zu dem Projekt! 

Hat das Projekt eventuell auch die Wahrnehmung Ihrer Kunden auf die Stadtwerke Bühl positiv beeinflusst?

Ich denke, das ist der Fall. Die Stadtwerke Bühl haben ihren Kunden das Versprechen abgegeben, sich für das Gelingen der Energiewende einzusetzen. Ausgehend von unseren klassischen Betätigungsfeldern, werden wir uns in zukunftsweisende Bereiche vorwagen und hier neue oder erweiterte Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Die Rückkopplung aus verschiedenen Gesprächen mit Kunden bestätigen, dass dieses Projekt die Wahrnehmung der Stadtwerke Bühl positiv beeinflusst. 

Welchen Rat würden Sie einem Kollegen geben, der ein ähnliches Projekt beginnen möchte? 

Da gibt es zwei Aspekte, die ich herausstellen will. Wenn sich ein Unternehmen mit ähnlichen Projekten beschäftigen will, müssen die Förderprogramme des Landes, des Bundes und der Europäischen Gemeinschaft regelmäßig auf Relevanz für ein eigenes mögliches Projekt geprüft werden. Dabei können die Branchenverbände und die kommunalen Spitzenverbände eine wichtige Hilfe leisten. Darüber hinaus ist es aber von erheblicher Bedeutung, dass ein entsprechendes unternehmensinternes Klima für Innovation und Veränderung geschaffen wird. Veränderungsprozesse, die von wichtigen Innovationen getragen werden, können und dürfen nicht nur das Thema „Einzelner“ im Unternehmen sein, das muss künftig als Teil der Unternehmenskultur implementiert werden. Dazu gilt es eingefahrene Wege zu verlassen und den Mitarbeitern auch Freiraum zum Querdenken zu gewähren. Die Unternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft stehen vor großen Herausforderungen. Nur wenn es gelingt, die Mitarbeiter auf den Weg der erforderlichen Transformation mitzunehmen und zu begeistern, werden Projekte wie unser jetziges erfolgreich sein und weitere folgen können. 

Stehen weitere Projekte an? 

Ja natürlich. Wir sehen das laufende Projekt als Basis für eine kontinuierliche Weiterentwicklung unseres Unternehmens. In dieser Logik werden wir uns allerdings nicht nur auf Projekte im Zusammenhang mit der Energiewende beschränken. Die kommunale Energiewirtschaft beherrscht und gestaltet eine Reihe von spannenden Handlungsfeldern, Stichwort Industrie 4.0, die wir in den kommenden Jahren weiterentwickeln und zusammen mit der Bevölkerung, unseren Kunden vor Ort, implementieren werden.

Hybrid Optimal – in Kürze 

An einem Abschnitt im Niederspannungsnetz der Stadtwerke Bühl soll demonstriert werden, wie ein Engpass, welcher den zusätzlichen Ausbau erneuerbarer Energien behindert, mit Hilfe des zellularen Ansatzes behoben werden kann. Der Netzabschnitt wird mit Unterstützung von Smart-Metern, einem Hybridbatteriespeicher, einer dreiphasigen Zustandsschätzung sowie einer kommerziellen Optimiersoftware zum Smart Grid weiterentwickelt. Bereits heute sind in Baden-Württemberg schon sehr hohe PV-Leistung installiert. Zur Erreichung der Klimaziele benötigen wir allerdings einen weiteren Zubau von Nieder- und Mittelspannungsnetzen. Mit diesem Ausbau stehen wir vor einer sehr großen Herausforderung. Wir müssen außerdem erkennen, dass hohe Investitionen in den klassischen Netzausbau wirtschaftlich nicht immer sinnvoll sind. Wir wollen mit diesem Projekt zeigen, dass durch den Einsatz von Speichern Engpässe im Verteilnetz in Zukunft behoben werden können. Ein wichtiger Gesichtspunkt im Projekt ist die sozialwissenschaftliche Begleitforschung. Die Stadtwerke Bühl GmbH und interdisziplinäre Projektpartner

  • Institut für Elektroenergiesysteme und Hochspannungstechnik (IEH), KIT
  • SCHMID Group, SCHMID Energy Systems GmbH, Freudenstadt
  • Prof. Claudia Neu, Georg-AugustUniversität Göttingen 

arbeiten im Förderprojekt „Hybrid Optimal“ zusammen.

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