Ausschreibungsmodelle im Spannungsfeld zwischen Effizienz und Akteursvielfalt

In einer Novelle des EEG im Jahr 2014 wurde festgeschrieben, dass ab 2017 die EEG-Fördersätze wettbewerblich über Ausschreibungen ermittelt werden sollen und nicht mehr administrativ festgesetzt werden. Dies kann einen großen Umbruch beim Ausbau der Erneuerbaren Energien bedeuten, gerade kleinere Akteure befürchten Nachteile. 

Über bisherige Erfahrungen mit dem Ausbau sowie die Perspektiven für die Ausschreibungsmodelle sprechen Dr. Frank Güntert (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft), Franc Schütz (EnBW AG) und Dr. Carsten Tschamber (Solar Cluster Baden-Württemberg e.V.).

Was erleben Sie als die größten Hürden beim Ausbau der Erneuerbaren Energien in Ihrer Berufspraxis? 

Schütz: Grundsätzlich sehen wir eher den erfolgreichen Fortschritt im Ausbau. Beim Ausbau der Windenergie nehmen wir vor allem im Süden aber auch zunehmend eine schwindende Akzeptanz vor Ort wahr. Damit steht die Windenergie aber nicht allein. Es ist heutzutage normal, dass man eine intensivere Diskussion mit der Gesellschaft um viele Arten von Infrastrukturprojekten oder Investitionen führen muss. Ärgerlicher ist die politische Diskussion: Rahmenbedingungen wie das EEG werden in immer kürzeren Zeiten angepasst, notwendige Stabilität fehlt. Wie wichtig der Umbau der Energieversorgung gerade im Hinblick auf die Klimaentwicklungen ist, gerät manchmal aus dem Fokus.
Tschamber: Das sehe ich ähnlich. Insbesondere bei der Photovoltaik (PV) ist das schlechte Image der Technologie ein großes Hindernis. Aufgrund der für alle Beteiligten schädlichen Strompreisdiskussion sowie der hektischen Förderkürzungen trotz drastisch gefallener Systempreise wird die PV vielerorts als wenig lohnend oder gar als Kostentreiber angesehen. Dabei hat sich lediglich das „Geschäftsmodell“ verändert: An die Stelle einer reinen Einspeisung ins öffentliche Netz treten zunehmend Modelle, in denen der lokal erzeugte PV-Strom auch vor Ort verbraucht wird. Dies ermöglicht unter anderem die Versorgung von Mietern oder auch Unternehmen mit langfristig günstigem Strom.
Güntert: Bei aller Diskussion um die Systeme – die größte Hürde ist aus meiner Sicht noch immer das Denken in alten Strukturen der Energieversorgung. Ein auf Erneuerbaren Energien basierendes Energiesystem muss grundsätzlich anders aussehen als bisher. Oft wird beispielsweise die Sicherheit der Stromerzeugung aus Windenergie mit der Stromerzeugung fossiler Kraftwerke verglichen. Das ist aber die falsche Sichtweise. Das Gesamtsystem mit sehr vielen dezentralen Energieerzeugern und einer viel intelligenteren Regelung als heute muss funktionieren. 

In der Theorie sind Ausschreibungen ein effizientes Instrument zur Preisfindung. Was bedeuten die Ausschreibungsmodelle für den Ausbau der Erneuerbaren in Süddeutschland? 

Güntert: Ob die Theorie auch in der Praxis stimmt, muss sich erst noch zeigen. Im Ausland haben Ausschreibungen bisher eher schlecht funktioniert. Hauptmotivation der Bundesregierung ist aber nicht der Preis. Mit Ausschreibungen will sie die Geschwindigkeit des Ausbaus der Erneuerbaren Energien steuern. Welche Chancen Süddeutschland im Wettbewerb zwischen den Regionen hat, hängt entscheidend davon ab, wie die Ausschreibungsmodelle gestaltet werden. Momentan sind Ausschreibungen nur für große Photovoltaik- und Windenergieanlagen geplant. Bei Photovoltaik wird es darauf ankommen, welche Flächenkulisse zugelassen wird, bei Windenergie wie unterschiedliche Windhöffigkeiten und Standortbedingungen berücksichtigt werden. 
Schütz: Wir dürfen nicht vergessen, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland breit in der Gesellschaft verankert ist. Wenn wir die Energiewende weiter erfolgreich gestalten wollen, brauchen wir Partizipationsmöglichkeiten, auch unter den Stichworten „Akzeptanz vor Ort“ und „Akteursvielfalt“. Die Einführung von Ausschreibungen als Förderinstrument bedeutet, dass ich wettbewerbliche Elemente einführe, die – und das ist immanent – das Risiko erhöhen. Damit erhöhe ich aber auch das Risiko für Beteiligungen, z.B. von Bürgern. Zudem hat die Einführung von Risiken in der Fördersystematik natürlich auch Auswirkungen auf die Kosten des Ausbaus. Je höher das Risiko, desto höher die Risikoaufschläge in den Projekten. Für Süddeutschland sehe ich insbesondere beim Onshore Ausbau erhebliche Herausforderungen, da das Winddargebot eine andere Technik verlangt als im windreicheren Norden. Die Anlagen sind im Durchschnitt höher und damit teurer, und auch andere Umfeldbedingungen wie z. B. die Zuwegung gestalten sich aufwändiger. Ein Ausschreibungssystem, das den weiteren und sinnvollen Ausbau der Windenergie auch im Süden sicherstellen will, muss dies in ausreichender Form berücksichtigen. 
Güntert: Ihre Argumente sind berechtigt – das derzeitige Referenzertragsmodell gleicht die unterschiedlichen Windverhältnisse tatsächlich nicht genügend aus. Das ist unstrittig und die Diskussion dreht sich momentan eher um die Art der Anpassung. Das Referenzertragsmodell alleinig betrachtet kann noch nicht den auch von der Bundesregierung gewollten regional ausgewogenen Zubau der Windenergie an Land sichern. Wir fordern deshalb eine Quotierung der Ausbauleistung für den Norden Deutschlands einerseits und Süd- und Mitteldeutschland andererseits. Dieser Vorschlag fand im Bundesrat bereits eine Mehrheit.
Tschamber: Ich denke auch, dass man regional differenzieren muss. In den bisherigen Auktionsrunden wurden die meisten PV-Anlagen im Nordosten Deutschlands bezuschlagt, lediglich wenige in Baden-Württemberg. Im Sinne des Netzausbaus und auch wegen der höheren Sonneneinstrahlung wäre es jedoch sinnvoller, Anlagen in räumlicher Nähe der südlichen Verbrauchszentren zu errichten. Dazu muss allerdings die Flächenkulisse erweitert und insgesamt die Menge an ausgeschriebener Leistung deutlich erhöht werden. 

Wie kann Akteursvielfalt gewährleistet werden? 

Tschamber: Die gegenwärtige Regelung für PV-Freiflächenanlagen benachteiligt durch die Komplexität des Verfahrens gerade kleinere Akteure wie Energiegenossenschaften, die bislang einen großen Anteil am Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland hatten. So haben in den letzten Auktionsrunden zwar einige Genossenschaften teilgenommen, jedoch nur in Einzelfällen einen Zuschlag erhalten. Für die Bundesregierung wiederum reicht alleine die Teilnahme bereits aus, um die Forderung nach mehr Akteursvielfalt als erfüllt anzusehen. 
Güntert: Und nicht nur Energiegenossenschaften, kleinere Anbieter im Allgemeinen benötigen vor allem die Sicherheit, bei einer Ausschreibung überhaupt einen Zuschlag zu erhalten, da sie andernfalls die Vorlaufkosten des gescheiterten Projekts nicht auf mehrere erfolgreiche Projekte verteilen können. Ohne diese Sicherheit werden Sie das Risiko einer Projektentwicklung nicht eingehen. Wir schlagen deshalb vor, dass kleinere Akteure immer einen Zuschlag zum Markträumungspreis erhalten.
Schütz: Ich halte nichts von Ausnahmeregelungen. Wir brauchen faire Ausschreibungsbedingungen, die es auch kleineren Bietern ermöglichen, teilzunehmen. Ein Ausschreibungssystem muss so ausgestaltet sein, dass keine Marktversperrung für Akteure stattfindet. Dass es für alle anstrengender sein wird, ist aber systemimmanent.

Zunehmende Proteste vor Ort gegen Ausbauprojekte erwecken den Eindruck, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung für Erneuerbare Energien schwindet. 

Güntert: Die Erfahrung mache ich nicht. Der Großteil der Bevölkerung akzeptiert den Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Tschamber: Den Eindruck habe ich auch nicht. Umfragen zeigen, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung unverändert sehr hoch ist. Wichtig ist hier, wie bei allen Infrastrukturprojekten, die frühzeitige und offene Kommunikation mit allen Interessengruppen.
Schütz: Und wichtig ist weiterhin, dass wir an der Zukunft, der Generationenaufgabe, uns nachhaltig mit Energie zu versorgen, arbeiten. Dazu gehört der Diskurs mit der Gesellschaft, den wir gerne auch vor Ort führen.

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