Bis 2030 sollen in Deutschland eine Million Ladepunkte öffentlich zugänglich sein. Aktuell gibt es nur rund 28.000. Über 70 Prozent der bereits bestehenden Ladepunkte werden von Energieunternehmen betrieben – jedoch keinesfalls wirtschaftlich. Wir sehen das Ziel als kaum realistisch an – auch weil immer mehr Verbraucher ihr Auto zuhause oder auf der Arbeit laden. Wie bewerten Sie das Ausbauziel der Bundesregierung?
Loogen: Der im vergangenen Jahr verabschiedete Masterplan Ladeinfrastruktur, der erhebliche Mittel für den Ausbau öffentlicher Ladeinfrastruktur vorsieht, war ein wichtiger Schritt, um die Elektromobilität und damit den Klimaschutz voranzubringen. Baden-Württemberg ist ein gutes Beispiel wie kontinuierlich die Zahl der öffentlichen Ladesäulen auch dank guter Förderpolitik bedarfsgerecht erhöht werden konnte. Im Rahmen der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität haben wir uns dafür ausgesprochen, Ausbauziele nicht als starr anzusehen, sondern je nach Rahmenbedingen dynamisch anzupassen. Denn je nachdem, wie sich das Verhältnis von öffentlichem zu privatem Laden – mit dem Hochlauf der Elektromobilität auf 10,5 Millionen E-Fahrzeuge im Jahr 2030 – entwickelt, ergeben sich andere Zielgrößen. Beträgt der Anteil des öffentlichen Ladens 2030 ca. 40 Prozent, ist das Anpeilen des Millionenziels sinnvoll. Sinkt allerdings der Anteil des öffentlichen Ladens – von dem viele Experten ausgehen – werden wir weniger als 1 Million Ladepunkte brauchen.
Die Bedenken gegenüber der Elektromobilität im Hinblick auf die energie- und ressourcenintensive Herstellung der Batterie sind weit verbreitet. Was können Sie diesen Bedenken entgegenbringen?
Loogen: Es ist wichtig, dass wir uns mit der Ressourceneffizienz beschäftigen und genau hinschauen, wie wir hier sukzessive besser werden können. Das betrifft nicht nur die Batterie im Auto, auch die im Handy. Bei allen Technologien, z. B. auch bei Steuergeräten, Aluminiummotorblöcken oder Reifen, ist die Betrachtung der Ressourceneffizienz von steigender Bedeutung. Die e-mobil BW hat im vergangenen Jahr mit einer vergleichenden Studie den Bedarf an kritischen Rohstoffen für Batterie- und Brennstoffzellenfahrzeuge beleuchtet. Als kritisch einzustufen sind neben Lithium, seltenen Erden und Kobalt auch Kupfer, Nickel und Platin. Es ist ganz wichtig, dass wir es schaffen, die Rohstoffvorketten bei allen Technologien nachhaltiger zu machen und dass Klimaschutz bei uns nicht zu Lasten der Menschen und der Umwelt in den Rohstoffherkunftsländern erreicht wird. Es gilt, die Abhängigkeiten durch eine verringerte Verwendung kritischer Rohstoffe zu reduzieren sowie vermehrt Alternativen für Technologien und Materialien im Fahrzeug zu finden. Viel Potenzial steckt auch im Recycling. Rohstoffe für Batterien lassen sich schon heute besser recyceln als viele glauben. Zahlreiche Forscher arbeiten daran, das noch deutlich zu verbessern. Durch eine verstärkte Kooperation zwischen Industrie und Recyclingunternehmen kann die Wiedergewinnung der Materialien effizienter und wirtschaftlicher gestaltet werden. Politische Maßnahmen können dazu beitragen, die Stoffkreisläufe zu schließen. Dazu gehören insbesondere die Überarbeitung der europäischen Batterierichtlinie und die Einführung von individuellen Mindestrecyclingquoten für bestimmte Materialien.
In der Anschaffung sind Elektroautos eher teuer. Für wen mit welcher Nutzung lohnt sich die Investition trotzdem?
Loogen: Die deutschen Hersteller haben für das aktuelle Jahr einen Fahrzeughochlauf an Elektromobilen angekündigt. Damit steigt nicht nur die Modellvielfalt sondern langfristig werden dadurch auch die Preise sinken. Bei der Frage, welches Fahrzeug für einen das richtige ist, spielt immer das individuelle Nutzerbedürfnis eine große Rolle. So lohnt sich ein kleineres batterieelektrisches Fahrzeug eher bei kürzeren Distanzen in der Stadt und der Region, während Elektrofahrzeuge z. B. mit Brennstoffzellenantrieb oder sehr großen Batterien auch für weitere Distanzen und bei größeren Lasten in Frage kommen. Betrachtet man die Kosten über die gesamte Fahrzeuglebensdauer, schneiden Elektrofahrzeuge schon heute oft sehr gut ab. Durch die Erhöhung der Umweltprämie im Zuge des Konjunkturpakets verkleinert sich der Kostennachteil bei der Anschaffung eines E-Autos noch mal deutlich.
Aus Sicht der Energiewirtschaft sind die Netzkapazitäten zu wenig in der Diskussion in Zusammenhang mit der E-Mobilität. Die Gefahr der lokalen Netzüberlastung nimmt zu – gerade weil viele Nutzer der Meldepflicht für Ladestationen zu Hause nicht nachkommen. Wie kann die Aufklärungsarbeit besser gelingen?
Loogen: Im Rahmen des Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württemberg, den die e-mobil BW als Kompetenzstelle unterstützt, spielen die Themen Netze und Sektorenkopplung eine zentrale Rolle, um die Transformation der Mobilität erfolgreich zu gestalten. Wir haben erlebt, dass Demonstrationsprojekte und Reallabore dabei ganz wichtig sind für die Bürgerinnen und Bürger. Im Reallabor E-Mobility-Allee untersuchte z. B. die Netze BW eineinhalb Jahre lang das Ladeverhalten von zehn mit E-Fahrzeugen ausgestatteten Haushalten in einer Straße und die Auswirkungen auf das Stromnetz. Zu sehen, dass Elektromobilität im Alltag funktioniert und die anschauliche Darstellung, wie die Netze dafür ertüchtigt werden müssen, hat eine enorme Akzeptanz geschaffen. Und es hat das Bewußtsein geschärft, warum es gut ist, seine Ladestation anzumelden.
Welche innovative Idee würde der Elektromobilität aus Ihrer Sicht in Baden-Württemberg Vorschub leisten?
Loogen: Es gibt vier Faktoren, die für den Hochlauf von Elektromobilität zentral sind. Das sind Emotion, Reichweite, Komfort und Kosten. Bei den Emotionen und Komfort können viele E-Fahrzeuge mit Fahrspaß, Umweltfreundlichkeit und wachsender Modellvielfalt bei vielen Verbrauchern punkten. Wir brauchen noch viel Forschung, um die Kosten der Elektromobile zu senken. Auch beim automatisierten und vernetzten Fahren gibt es noch viele Potenziale, die wir heben müssen. Mit unserem Forschungsnetzwerken Cluster Elektromobilität Süd-West und Brennstoffzelle BW arbeiten wir an vielen innovativen Ideen, um klimafreundliche Mobilität made in Baden-Württemberg erfolgreich zu machen.
Landesagentur e-mobil BW
Loogen: Die Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive e-mobil BW GmbH treibt im Netzwerk mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand die Industrialisierung und Markteinführung zukunftsfähiger Mobilitätslösungen voran. Damit stärkt sie langfristig den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg. Die e-mobil BW arbeitet mit Kommunen zusammen und verfolgt damit eine regionale Strategie zur flächendeckenden Etablierung klimafreundlicher und vernetzter Mobilität in Baden-Württemberg. Zudem koordiniert sie den Strategiedialog Automobilwirtschaft BW sowie die Cluster Elektromobilität Süd-West und Brennstoffzelle BW.